Von Frankreich lernen: „Datensicherheit treibt KMU verstärkt in die Cloud!“

Aktualisiert: 14. September 2021

5 min.

Haufe Redaktion Mittelstand Datensicherheit & Datenschutz

Frankreich wurde 2020 als digitaler Aufsteiger Europas eingestuft und ist somit an Deutschland vorbeigezogen. Die Cloud ist dabei ein wichtiger Digitalisierungstreiber, weiß Christine Buisson, Director Product Management bei Cegid aus Frankreich. Wo die größten Vorteile liegen und warum Datensicherheit längst ein Cloud-Katalysator ist, zeigt der vierte Teil der Expertenreihe „Globale Tech-Trends im Mittelstand“.

Die Cloud dient als Basis für neue Technologien und bringt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) viele Vorteile. Dennoch lassen sich im globalen Vergleich große Unterschiede hinsichtlich der Cloud-Akzeptanz und technologischen Reife von Unternehmen feststellen. Das zeigte die Diskussion von fünf Tech-Expert:innen der internationalen Cloud- und ERP-Branche aus den USA, Australien, Frankreich und Deutschland im Haufe X360 Global Tech Roundtable.

Deutlich wurde, dass die USA und Australien deutschen und französischen Mittelstand einige Jahre voraus sind. Doch auch der eigene Nachbar Frankreich hat, laut des Digital Riser Reports 2020 vom European Center for Digital Competitivenes, Deutschland überholt. So ähnlich die Wechseltreiber auch sein mögen, so unterschiedlich verhalten sich deutsche KMU doch in Sachen Investitionsbereitschaft, Datenschutzbedenken und digitalen Einsatzszenarien.

Im Interview spricht Christine Buisson, Director Product Management bei Cegid, warum Unternehmen in Frankreich schon längst von Cloud-Lösungen profitieren. Und warum sie mit Blick auf den anhaltenden technologischen Wandel immer wichtiger werden.

Haufe X360: Christine, wie hoch ist der digitale Reifegrad französischer KMU? Warum entscheiden sich immer mehr Unternehmen dazu, ihre Geschäftsprozesse in die Cloud zu verlagern?

In den letzten Jahren war Frankreich wirtschaftlich weniger stark aufgestellt wie Deutschland, Australien oder die USA. Der konjunkturelle Druck zwang Staat und Privatwirtschaft zu weitreichenden Investitionen in Wirtschaft und Innovation. Dennoch befinden sich französische KMU im globalen Vergleich auf halber Höhe der digitalen Reifeskala. Eine von Cegid durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass mehr als 50 % der Unternehmen mit einer Größe zwischen 20 und 200 Mitarbeitern zumindest mit der digitalen Transformationsreise begonnen haben. Im Vergleich liegt diese Quote bei größeren Unternehmen bei 70 %. Das bedeutet, dass der Anreiz zur Digitalisierung innerhalb des KMU-Marktes schnell wächst. Die Cloud spielt dabei eine wichtige Rolle.

Für die hohe Cloud-Akzeptanz gibt es verwaltungstechnische, wirtschaftliche und soziale Gründe. Der französische Staat ist selbst auf der Suche nach Effizienz und fördert jede Technologie, die bei der Nachverfolgung von Einnahmen helfen kann: Unternehmen und Privatpersonen sind nun verpflichtet, ihre Steuern auf digitale Weise zu melden, und ab 2023 wird die elektronische Rechnungsstellung auch das einzige akzeptierte Mittel für die Rechnungsstellung im B2B-Bereich sein. Dies ist ein sehr klares Beispiel dafür, wie der Staat die Digitalisierung fördert.

Wirtschaftlich gesehen sind die Arbeitskosten in Frankreich recht hoch, besonders im Dienstleistungssektor. Daher suchen Unternehmen nach Möglichkeiten, interne Prozesse durch digitale Lösungen zu optimieren. Doch die Anhäufung von Tools, die lokal und intern gehostet werden, führt zu sehr hohen Wartungskosten. Daher profitieren Unternehmen von OCR und Self-Service-Apps für die kostengünstigere und schnellere Abwicklung von internen Verwaltungsaufgaben in der Cloud. Solche digitalen Anwendungen und Systeme entsprechen auch den Wünschen von Arbeitskräften. Diese sind daran gewöhnt, digitale und mobile Anwendungen im Privatleben jederzeit und überall zu nutzen. Sie wollen ein flexibles Leben führen, das vom Arbeitgeber digital ermöglicht werden muss. Dies gilt auch für das Topmanagement der Unternehmen, das mit dem Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand zunehmend technologieaffin wird.

Haufe X360: In Europa hat der Schutz von Daten und die Herstellung der Datenhoheit von Verbrauchern und Unternehmen seit Jahren eine hohe politische Relevanz. Ist Datensensibilität ein europäisches Phänomen? Wie wichtig ist der Datenschutz bei französischen KMU ?

Datensicherheit ist in Frankreich ein wichtiges Thema, aber Unternehmen neigen dazu, den Cloud-Anbietern zu vertrauen, dass sie den Schutz ihrer Daten bei der Implementierung einer Cloud-basierten Lösung sicherstellen. In Frankreich sind die Anforderungen an Datensicherheit nicht so streng wie in Deutschland. Unternehmen akzeptieren, wenn die Datenzentren nicht in Frankreich lokalisiert sind, doch sie müssen in einem europäischen Land gehostet werden.

Datensicherheit wird in Frankreich eher zu einem Cloud-Treiber als zu einer Hürde für KMU, vor allem seit der Corona-Krise und den jüngsten Ransomware-Fällen: 40 % von ihnen sind bereits der Meinung, dass die Cloud ein Sicherheitsnetz gegen Cyber-Kriminalität darstellt. Unternehmen haben erkannt, dass die Kosten und der Aufwand für die Wartung von On-Prem-Servern, der Kauf von Know-how bei Dienstleistern und die Aufwände zur Einhaltung der Sicherheitsstandards von Mitarbeitenden im Home-Office viel höher sind als in der Cloud.
Die Erkenntnis setzt sich immer mehr durch, dass die Daten ihres Unternehmens in einer Cloud-Umgebung, die von erfahrenen Anbietern mit hohen Standards im Sicherheitsmanagement verwaltet wird, sicherer sind. Diese tragen in den kommenden Jahren eine große Verantwortung für die Verbreitung der Cloud.

Haufe X360: Du hast geschildert, dass kleine Unternehmen besonders unter dem Effizienz- und Sicherheitsdruck ihre Prozesse in die Cloud verlagern. Cloud-basierte ERP-Plattformen sind auf dem Vormarsch. Was ist aus deiner Sicht der größte Vorteil von Plattformen für KMU ? 

Unternehmen beginnen zu verstehen, dass ERP-Systeme mehr bieten als Kostensenkungen und betriebliche Effizienz. KMU in Frankreich sind zunehmend neugierig auf den datenzentrierten Ansatz, den ERP-Systeme bieten: Sie profitieren von der Datenkonzentration und können sich bei ihren Geschäftsentscheidungen auf leistungsfähigere Daten stützen.

Die ERP-Plattform wird zum zentralen Nervensystem des Unternehmens. Sie reißt Abteilungssilos ein, verbinden Unternehmen intern abteilungsübergreifend und extern mit Kunden, Partnern und Lieferanten. KMU beginnen, diese Interkonnektivität des Unternehmens über API-strukturierte Systeme zu schätzen.

Denn das ist der größte Vorteil von Plattformen: Kleine Unternehmen werden größer als sie eigentlich sind, denn sie profitieren von einem ganzen Ökosystem an Drittlösungen. Als Softwareanbieter arbeiten wir mit High-Tech-Startups zusammen und integrieren ihre Lösungen in unsere Systeme. Wenn sich KMU für eine Cloud-Plattform entscheiden, haben sie Zugriff auf ein Ökosystem, das sonst nur für Großunternehmen erschwinglich ist. Wir bieten niedrigere Einstiegshürden und geringere Kosten, als wenn sie diese Drittlösungen selbst kaufen würden.

Haufe X360: Du beschreibst, wie sehr Cloud-Plattformen den Weg in die technologische Zukunft bereiten. Welche Technologietrends siehst du auf Unternehmen zukommen?

Unternehmen werden, ähnlich wie ihre Kundschaft, immer individueller werden. Daher wird die Anpassbarkeit von Systemen immer wichtiger. Jedes Geschäftsteam in Unternehmen wird zukünftig seine eigene Lösung wollen. Dieser Trend wird durch mehr Selbstbedienung unterstützt, die durch einen "No Code"-Ansatz für Software ermöglicht wird, bei dem die Einfachheit in den Mittelpunkt der UX gestellt wird.

Außerdem glaube ich, dass die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Systemen und die Interaktion zwischen Maschinen und Menschen stark zunehmen wird. Die Grenzen zwischen Systemen werden zunehmend verschwimmen und dabei spielen Internet of Things, Sensorik und automatisierte Datenflüsse eine große Rolle, etwa mit Robotik und RFID-Technologien in der Logistik. Dem ERP-System als zentralen Datenhub, durch den all diese Daten fließen, messe ich auch in Zukunft eine immer gewichtigere Rolle zu. Denn das System wird prädiktive, ML-gestützte Analysen anbieten und Unternehmen in eine neue Ära der datenbasierten Unternehmenssteuerung begleiten.

Haufe X360: Eine moderne Unternehmens-IT bildet also eine essenzielle Grundlage, damit Unternehmen mit dem technologischen Wandel Schritt halten können. Was rätst du all jenen Unternehmen, die vor dem Schritt in die Cloud zögern?

Vor zehn Jahren hätte ich gesagt: Go bold, go cloud! Aber heute würde ich sagen: Seien Sie vernünftig, setzen Sie die Cloud zu Ihren Gunsten und denen Ihrer Kunden ein - bevor Ihre Konkurrenz es tut!

Haufe X360: Danke, Christine, für diese spannenden Ein- und Ausblicke.